rechtliche Grundlagen der Videobeobachtung

Die rechtliche Grundlage für eine polizeiliche Videobeobachtung des öffentlichen Raums in Köln ist §15a Polizeigesetz NRW. Ursprünglich eingeführt wurde er im Juli 2003. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung gegen die Videobeobachtung Anfang Juli 2018 galt die seit Juni 2013 bestehende Fassung. Im Dezember 2018 hat der Landtag von NRW dann eine Neufassung des §15a PolG NW beschlossen, die seitdem Rechtsgrundlage für die Videobeobachtung darstellt.

Alte Fassung:

Folgende Bedingungen für die Beobachtung mittels Bildübertragung und Speicherung der Aufnahmen waren in der alten Fassung des § 15a PolG NRW (Zeitpunkt der Klageerhebung) festgelegt:

Absatz 1:

  • Zweck der Maßnahme muss die Verhütung von Straftaten sein.
  • Die Videobeobachtung darf nur an einzelnen öffentlich zugänglichen Orten und nicht flächendeckend durchgeführt werden.
  • An diesen Orten müssen in der Vergangenheit wiederholt Straftaten begangen worden sein, und eine auf Tatsachen basierende Gefahrenprognose muss zu dem Ergebnis kommen, dass auch zukünftig an diesen Orten Straftaten begangen werden.
  • Die Beschaffenheit dieser Orte muss Straftaten begünstigen.
  • Die Beobachtung muss durch geeignete Maßnahmen erkennbar gemacht werden, falls sie nicht offenkundig ist.

Absatz 2:

  • Die maximal erlaubte Dauer der Speicherung der Aufnahmen beträgt 14 Tage.
  • Länger dürfen Aufnahmen nur gespeichert werden, wenn sie im konkreten Fall
    a) zur Strafverfolgung benötigt werden oder
    b) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Person künftig Straftaten begehen wird, und die Aufbewahrung zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist.

Absatz 3:

  • Über die Einführung der Videobeobachtung an konkreten Orten muss der*die Behördenleiter*in (in Köln z.B. der*die Polizeipräsident*in) entscheiden.

Absatz 4:

  • Die Maßnahmen nach Absatz 1 müssen dokumentiert werden.
  • Sie sind auf ein Jahr befristet. Nach einem Jahr muss die Maßnahme überprüft werden.
  • Wenn die Bedingungen nach Absatz 1 weiter vorliegen, können sie um jeweils ein Jahr verlängert werden.

Absatz 5:

  • Die Geltungsdauer dieser Vorschrift ist seit Einführung immer auf 5 Jahre zeitlich begrenzt und muss vom Landtag jeweils neu bestätigt werden, um weiter Gültigkeit zu haben.
  • Die Auswirkungen der Videobeobachtung und der gesetzlichen Grundlage müssen von der Landesregierung unter Mitwirkung eines*r unabhängigen wissenschaftlichen Sachverständigen geprüft werden. Über das Ergebnis hat die Landesregierung dem Landtag zu berichten.

Neue Fassung:

Ende 2018 wurde Absatz 1 dann wie folgt geändert:

Absatz 1:

  • Die Bedingungen, dass
    a) an dem zu beobachtenden Ort in der Vergangenheit wiederholt Straftaten begangen worden sind und
    b) die Beschaffenheit des Ortes die Straftaten begünstigen muss,
    bleiben grundsätzlich bestehen, fallen aber weg, wenn aufgrund von Tatsachen eine Gefahrenprognose ergibt, dass an dem Ort zukünftig Straftaten von erheblicher Bedeutung verabredet, vorbereitet oder begangen werden. Was Straftaten von erheblicher Bedeutung sind, ist in § 8 Abs. 3 PolG NRW festgelegt. Aufgrund einer Kettenverweisung, die in der Klage als rechtswidrig angegriffen wird, kann sich die Definition des Begriffs Straftaten von erheblicher Bedeutung jedesmal automatisch erweitern, wenn Änderungen an Verbrechenstatbeständen und Vergehen aus mehreren Gesetzeswerken mit Strafvorschriften (aktuell Strafgesetzbuch, Völkerstrafgesetzbuch, Aufenthaltsgesetz, Betäubungsmittelgesetz und Waffengesetz) vorgenommen werden.
  • Neu eingefügt wurde hingegen die Hürde, dass eine Videobeobachtung nur stattfinden darf, wenn jeweils ein unverzügliches Eingreifen der Polizei möglich ist.

Absatz 5:

Dieser Absatz wurde komplett gestrichen. Das heißt, die jetztige Norm zur Videobeobachtung gilt so lange, bis sie durch ein Gesetz geändert wird. Der Landtag muss nicht mehr alle fünf Jahre darüber diskutieren und entscheiden, diese Norm zu verlängern. Außerdem muss die Landesregierung die Videobeobachtung nicht mehr auswerten und dem Landtag auch nicht mehr darüber Bericht erstatten. Damit findet auch eine Überprüfung durch unabhängige Sachverständige nicht mehr statt.

Bewertung:

Die Neuregelung des §15a bedeutet hauptsächlich eine Absenkung der Hürden zur Videobeobachtung. Durch die Einfügung des Begriffs der Straftaten von erheblicher Bedeutung kann die Videobeobachtung auf noch mehr Orte ausgeweitet werden, als es bisher möglich war. Durch die Abschaffung des Absatz 5 wird die Norm zur Videobeobachtung aus der parlamentarischen und öffentlichen Debatte herausgenommen. Es wird keine wissenschaftliche Evaluierung mehr durchgeführt. Auch die in der Vergangenheit wiederholt stattgefundenen Expertenanhörungen im Landtag zum Thema werden nicht mehr stattfinden. Videobeobachtung wird so zu einer alltäglichen Standardmaßnahme gemacht, über die es nicht mehr in regelmäßigen Abständen neu nachzudenken gilt. Dies geschieht trotz weit verbreiteter Bedenken und Kritik aus wissenschaftlichen Kreisen und von Datenschützer*innen.

Die Neuerung, dass ein unverzügliches Eingreifen der Polizei möglich sein muss, ergibt sich aus der Sache selbst, dass die Videobeobachtung durch Landesgesetz wenn überhaupt nur als Gefahrenabwehrmaßnahme geregelt werden darf. Straftaten können nur durch schnelle Reaktion verhindert werden. Die Strafverfolgung im Nachhinein gehört zur Zuständigkeit des Bundesrechts. So stellt diese Regelung lediglich eine Klarstellung dar. Sowohl die alte wie auch die neue Fassung des §15a PolG NRW berücksichtigen nicht in ausreichendem Maße die durch die Videobeobachtung verursachten Eingriffe in die Grundrechte der betroffenen Menschen. Immerhin sind das in der Regel pro Woche mehrere zehntausend Menschen, die staatlich beobachtet werden, um einige wenige rechtlich relevante Vorfälle zu entdecken und polizeilich zu bearbeiten.