Jahrelange Kennzeichenerfassung und Überwachung von Eingängen durch die Polizei illegal

Am Montag, den 08.02.2021 hat das Verwaltungsgericht Köln über den Eilantrag des Klägers gegen die polizeiliche Videoüberwachung in Bezug auf den Neumarkt in Köln entschieden (20 L 2344/20).

Dieser Beschluss hat Auswirkungen auf die gesamte polizeiliche Videoüberwachung in NRW, weil das Gericht grundsätzlich feststellt:
„§ 15a PolG NRW ermächtigt allerdings weder zur Videoüberwachung privater und/oder sensibler Bereiche noch zur KFZ-Kennzeichenerfassung.“

Der Kläger und unsere Initiative hatten in den letzten Jahren wiederholt bemängelt, dass die Polizei Köln genau dieses tut. Wie Videoaufnahmen, die aus einem Strafverfahren bekannt sind, und wie die Datenanfrage eines Steuerberaters gezeigt haben, werden Hauseingänge und KFZ-Kennzeichen durch die Polizei Köln eben nicht unkenntlich gemacht und somit durch die Videoüberwachungsanlage erfasst und mindestens 14 Tage gespeichert. Mit der Überwachung der Hauseingänge kann die Polizei bisher erkennen, welche Ärztinnen/Ärzte, Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte oder anderen sensiblen Lebenszusammenhänge besucht werden. Über KFZ-Kennzeichen können die Halterinnen und Halter aller Fahrzeuge ermittelt werden.

Das Verwaltungsgericht hat deshalb nun klargestellt:
„Entsprechend hat der Antragsgegner sicherzustellen, dass Privatbereiche, d.h. Wohn- und Geschäftshauseingänge im Videobereich Neumarkt, der Eingangsbereich des Gesundheitsamtes und die KFZ-Kennzeichen der den Videobereich befahrenden Straßenverkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer unkenntlich gemacht/ verpixelt werden.“

Unsere Initiative fordert die sofortige Einstellung der gesamten Videoüberwachung der Polizei Köln, solange dieser Gerichtsbeschluss nicht technisch umgesetzt ist. Jede weitere Stunde Videoüberwachung ohne entsprechende Verpixelung ist rechtswidrig!

Das Gericht stellte weiterhin fest, dass die Videoüberwachung einen erheblichen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt. Auch wenn unter den o.g. Bedingungen die Videoüberwachung am Neumarkt vom Gericht im Eilverfahren betrachtet als gerade noch rechtmäßig angesehen wird, so hat es der Polizei Köln und dem Land NRW doch einige weitere Einschränkungen mit auf den Weg gegeben.

So sieht das Gericht eine Obliegenheit des Antragsgegners (Polizei), „zeitnah einen weiteren wissenschaftlichen Bericht zu den Effekten der Videoüberwachung in Auftrag zu geben.“
Ebenso weist das Gericht darauf hin, dass die Beschilderung am Neumarkt vor allem in den Zugangstraßen und im Randbereich der Überwachungszone ausgeweitet gehört.
Schließlich will das Gericht im Hauptsacheverfahren vom PP Köln weitere statistische Daten zur Rechtfertigung der durchgehenden 24/7 Videoüberwachung ohne Pausen vorgelegt bekommen.

Mehrfach deutet das Gericht auch verfassungsrechtliche Grenzen an, über die es im vorliegenden Fall allerdings nicht zu entscheiden hatte. Genannt werden hier
a) die Frage, ob eine Datenspeicherung über 14 Tage hinaus zu präventivpolizeilichen Zwecken und nicht zur Strafverfolgung ebenfalls noch erforderlich sei, wie es der § 15a PolG NRW erlaubt, und
b) die Frage, ob intelligente Videoüberwachungssysteme, die Aufzeichnungen automatisch auswerten und Verhaltensmuster erkennen, was in Köln so momentan nicht geschehe, noch grundrechtskonform wären.

Auch wenn das Gericht nicht wie im Fall des Breslauer Platzes die Videoüberwachung sofort hat einstellen lassen, weil nach seiner Auffassung der Neumarkt eher ein Kriminalitätsschwerpunkt ist, stellen doch die aufgestellten Grenzen einen großen Erfolg dar. Seit Jahren erfasst die Polizei Köln illegal Autokennzeichen und die Zugänge zu privaten und sensiblen Bereichen. Das hat nun dank der Eilanträge zur Klage und dank unserer Initiative ein Ende.

Ob gegen diesen Beschluss des VG Köln Beschwerde beim OVG NRW durch den Antragsteller eingelegt wird, weil das Gericht nach Berücksichtigung der o.g. Bedingungen die Videoüberwachung vorerst weiter betreiben lässt, wird derzeit geprüft und muss innerhalb von zwei Wochen entschieden werden. Die kursiv dargestellten Zitate stammen alle aus dem Beschluss des VG Köln vom 08.02.2021 mit dem Aktenzeichen 20 L 2344/20.