Noch im ersten Quartal 2024 Klage gegen Videoüberwachung in Kalk und Humboldt-Gremberg
Die Initiative kameras-stoppen.org unterstützt eine Bewohnerin aus dem videoüberwachten Bereich Köln-Kalk gegen die 2022 eingeführte Videoüberwachung in den Stadtteilen Kalk und Humboldt-Gremberg. Noch in diesem Quartal soll Klage gegen das Land NRW beim Verwaltungsgericht Köln mit dem Ziel eingereicht werden, die Videoüberwachung der Polizei auch dort untersagen zu lassen. Wie schon bei den anderen videoüberwachten Bereichen ist der Grundrechtseingriff immens und der Bereich mit zwei betroffenen Stadtteilen so groß wie keiner zuvor. Allein das erfüllt nicht mehr das Kriterium des Polizeigesetzes, dass polizeiliche Videoüberwachung auf einen begrenzten Ort beschränkt sein muss.
Über die Klageeinreichung werden wir zeitnah informieren und diese mit einer Protestveranstaltung verbinden.
Polizei Köln videografiert weiterhin Proteste und Versammlungen
Die Polizei Köln schafft es weiterhin nicht, Versammlungen und andere Formen des Protests vor ihrer eigenen Kameraüberwachung zu schützen. Allein in den letzten Monaten kam es zu drei weiteren, dokumentierten Vorfällen, bei denen es aus unserer Sicht rechtswidrig zu Datenerhebungen und/oder Einschüchterungen kam.
Am 21. Oktober 2023 hielten zwei Aktivisten ein Transparent gegen die polizeiliche Videoüberwachung für eine halbe Stunde auf dem Ebertplatz in Köln. Die dortige Videoüberwachungsanlage wurde erst nach 23 Minuten durch die Überwachungszentrale offensichtlich deaktiviert und die Rollos vor die Kameralinsen herabgelassen. Ob die aufgezeichneten Bilder direkt gelöscht oder 14 Tage gespeichert wurden, weigert sich die Polizei trotz Anfrage bis heute zu beantworten.
Am 27. Januar 2024 fand die jährliche Gedenkveranstaltung für die queeren und homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus am Mahnmal am Rheinufer in Köln statt. Während der gesamten ca. einstündigen Veranstaltung war die Kamera der polizeiliche Videoüberwachung, die am Philharmoniegebäude hängt, auf die Teilnehmer*innen ausgerichtet. Es ist davon auszugehen, dass alle Teilnehmer*innen über den gesamten Zeitraum beobachtet, erfasst und ihr Bild gespeichert wurde. Eine Datenanfrage an die Polizei Köln ist bis heute (7.2.2024) nicht beantwortet worden.
Am 01. Februar 2024 demonstrierte Fridays for Future friedlich gegen die AfD in der Kölner Innenstadt. Während des Aufzugs war die Kamera des vorausfahrenden polizeilichen Überwachungsfahrzeugs am Mast ausgefahren und auf die Versammlung ausgerichtet. Erst auf den Protest von Teilnehmer*innen und der Versammlungsleitung hin wurde die Kamera auf halber Wegstrecke des Demonstrationszugs im 45 Grad Winkel gen Boden gerichtet.
In allen drei Fällen hat die Polizei rechtswidrig Protest bzw. Gedenken eingeschüchtert und die Grundrechte der Teilnehmer*innen auf informationelle Selbstbestimmung, Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit verletzt. Es ist unklar, was die Polizei alles erfasst hat, welche Bilder sie für wie lange gespeichert hat und für welchen Zweck sie diese eventuell verwendet.
Nach fast sechs Jahren Klageverfahren gegen die polizeiliche Videoüberwachung in Köln zeigt sich zum wiederholten Mal, dass alle einschränkenden Vorgaben von Gerichten unsere Grundrechte nicht ausreichend schützen, weil die Polizei in der Praxis ständig versagt. Nur eine komplette Einstellung der Videoüberwachung mit Demontage der Kameras schützt uns Bürger*innen vor der exzessiven Bildüberwachung durch den Staat.
Klagen aus 2018 und 2019 noch immer nicht verhandelt
Die Klagen aus 2018 und 2019 gegen die stationäre polizeiliche Videoüberwachung in den sechs Kölner Gebieten
– Breslauer Platz,
– Hauptbahnhof-Vorplatz/Domvorplatz/Roncalliplatz/Weltjugendtagsweg/Kurt-Hackenberg-Platz/Heumarkt etc.
– Ringe
– Neumarkt
– Ebertplatz
– Wiener Platz
ist noch immer nicht zur mündlichen Hauptverhandlung beim Verwaltungsgericht Köln gekommen. Ein Urteil lässt entsprechend auf sich warten. Zumindest haben die drei Eilverfahren, die mit den Beschlüssen vom 16. Mai 2022 beim OVG NRW endeten, schon mal einige Erfolge gebracht:
+ So muss die Videoüberwachung nicht nur während Versammlungen eingestellt werden, sondern schon in der Sammlungsphase eine Stunde vor Beginn und in der Auflösungsphase bis eine halbe Stunde nach einer Versammlung.
+ Ein großer Erfolg liegt auch darin, dass die Polizei keine Rechtsgrundlage dafür hat, mit den Kameras Bereiche hinter Fenstern und Türen zu erfassen, auch wenn sie im Erdgeschoss liegen und durch die angeordnete Unkenntlichmachung Gehwegbereiche davor mit verschattet werden müssen. Das gilt sowohl für private Wohnungen, Büros, Praxen und Kanzleien als auch für öffentlich zugängliche Geschäfte, Kultureinrichtungen und Gastronomien.
+ Zudem ist die Ausschilderung der Videoüberwachung gerade in den Randbereichen und für Autofahrer*innen nicht ausreichend, so das OVG. Es ist bisher nicht gesichert, dass sich Menschen frei entscheiden können, ob sie den videoüberwachten Bereich betreten wollen oder nicht, bevor sie diesen erreicht haben. Der neueste Schriftsatz der Polizeiseite verneint jetzt wieder dieses Recht der Bürger*innen, das sich aus der informationellen Selbstbestimmung ergibt, sodass wir für ein Urteil gerade auf diesen Punkt nochmal hinwirken müssen.
Viele Fragen sind noch offen und müssen gerichtlich geklärt werden. Wir bleiben natürlich bei unserem Ziel, die polizeiliche Videoüberwachung des öffentlichen Raums und von hunderttausenden Passant*innen in Köln wieder los zu werden. Auf dem Weg dorthin erstreiten wir uns Stück für Stück unsere Freiheit vor staatlicher Datenerfassung und -speicherung zurück. In diesem Zusammenhang beobachten wir auch die Entwicklungen von KI, Datenabgleich und -analyse bis hin zur automatisierten Gesichtserkennung.